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REPORTAGE: DIE IM DUNKELN SIEHT MAN NICHT mohan: 2006-02-26

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Viele Fußgängerzonen sind aufpolierte Hochglanzpassagen für den modernen Konsumenten von heute. Nichts soll den Einkaufsbummel trüben. Doch manches mag da nicht so recht ins Bild passen.


Die, die man sieht, die stehen im Licht.
Die, die im Dunkeln stehen, die sieht man nicht.
Bertold Brecht


Ein Bild in der Fotocommunity erinnerte mich wieder an einige Begegnungen in der Stuttgarter Königstraße Anfang Januar. Ich hatte gerade die Landesausstellung "Imperium Romanum" im Kunstgebäude verlassen. Es war mittlerweile dunkel und saumäßig kalt. Der Schlossplatz war in ein atmosphärisches Licht getaucht, es lag Regen in der Luft.

Ich machte mich durch die Glitzerwelt der mehr oder weniger edlen Geschäfte und Kaufhäuser in der Königstraße auf den Weg zum meinem Wagen. Die Geschäfte waren noch offen, zahlreiche Menschen erledigten noch ihre Einkäufe. Sie trugen die üblichen Tragetaschen mit Werbeaufdrucken der verschiedensten Boutiquen und anderen Tragetaschen mit sich herum. Schöne heile Einkaufswelt.

Doch halt. Da war etwas, was das schöne Bild störte. Saß da nicht ein Mann mittleren Alters in eine Decke gehüllt am Straßenrand und bettelte? Doch richtig, er saß da und bat stumm um Geld. Dieser Mann wollte so ganz und gar nicht in die "edle" Einkaufspassage passen. Doch die meisten beachten ihn nicht, laufen vorbei und eilen in die Geschäfte, noch vor Ladenschluss die letzten Besorgungen zu machen. Die im Dunkeln sieht man eben nicht.

Doch der Mann war keineswegs der einzige, der am Straßenrand frierend in eine Decke gehüllt saß und bettelte. Konsum und Armut (so ist auch der Titel des Bildes bei der Fotocommunity) lagen an diesem Abend noch öfter dicht beieinander. Besonders in Erinnerung ist mir noch eine Mutter mit ihrem Kind. Beide saßen ebenfalls in eine Decke gehüllt auf dem kalten Straßenpflaster. Sie hatten sich in der Nähe des Eingangs zu einem Kaufhaus niedergelassen. Vor ihnen stand nicht nur ein Gefäß für Geld, sondern auch verschiedene Getränkebecher. Sie schienen auch schon länger hier zu sitzen und jemand hatte ihnen etwas zu Trinken gegeben. Ihnen schenkten wohl ein paar Leute mehr Beachtung, auch wenn sie ebenfalls nur stumm da saßen. Vielleicht hat auch das Kind mehr Mitleid erregt als ein einzelner Mann. Doch die meisten gingen achtlos an ihnen vorbei.

Ganz im Gegensatz dazu interessierte sich das Auge des Gesetzes sehr wohl für die beiden. Zwei Streifenpolizisten sprachen Mutter und Kind an. Sie diskutierten miteinander. So wie ich das von weitem mitbekommen hatte, wollten sie, dass die beiden Bettler ihr "Quartier" räumen. Vielleicht hatte ihr Anblick doch den ein oder anderen "anständigen Bürger" gestört. Armut gehört eben nicht in eine "Hochglanzeinkaufsmeile". Doch die Beamten ließen die Beiden weiter sitzen und gingen weiter. Gut so. Ich hatte schon befürchtet, dass die beiden jetzt vertrieben würden. Dies hätte ich gar nicht gut gefunden. Denn Mutter und Kind haben ja niemand angepöbelt und freiwillig setzt sich bestimmt niemand in der Kälte auf die Straße und bettelt. Das tut man nur, wenn das Geld hinten und vorne nicht reicht. Wer ist schon freiwillig arm?

Mutter und Kind vergruben sich wieder unter ihrer Decke und warteten auf "milde Gaben". Ich ging jetzt zu den beiden und warf einige Münzen in das dafür vorgesehene Gefäß. Die Frau bedankte sich und ich weiter meines Weges zu meinem Wagen. Die beiden wie auch die anderen Bettler werden wohl noch eine Weile hier gesessen haben und auf Geld oder Essen und Trinken gehofft haben. Sie haben also noch eine Weile die Harmonie der "reichen Glitzerwelt" gestört. Doch für die meisten Passanten waren sie "im Dunkeln" und wurden nicht gesehen, ganz im Gegensatz zu den Schaufenstern der Geschäfte. Aber diese waren ja beleuchtet und somit "im Licht".

Zum Schluss noch das Bild, das diese Erinnerungen in mir wieder weckte. Es stammt von Esca Sallust aus Karlsruhe und ist wie schon erwähnt bei der Fotocommunity veröffentlicht.



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