!MARCS young electronic magazine
AUSGABE: Juli 2000


Rubrik: JAM

SERIE: IN MY EYES

Medien- Spiegel der Gesellschaft!? oder Der Fernseher, des Deutschen liebster Zeitvertreib! Egal wie oft ich den Fernseher einschalte, nach wenigen Minuten und 25 durchzappten Kanälen werfe ich entnervt die Fernbedienung in die Ecke. Was für ein Schrottprogramm...


In my eyes- die Reportage

Medien- Spiegel der Gesellschaft!? oder Der Fernseher, des Deutschen liebster Zeitvertreib!

Egal wie oft ich den Fernseher einschalte, nach wenigen Minuten und 25 durchzappten Kanälen werfe ich entnervt die Fernbedienung in die Ecke.
Was für ein Schrottprogramm. Tagein, tagaus wird man im Privatfernsehen mit Talkshows, Soaps, Schmuddelsex, Wiederholungen amerikanischer Sitcoms, zwiespältigen Boulevard- Magazinen und schlechten, weil billigen, Filmen genervt. Selbst etwas ernstzunehmendes wie Nachrichten wird immer banaler, und präsentiert, als hätten die Zuschauer einen Forrest Gump IQ. Alles ist grell, bunt und viel zu bewegt. Jugendlich und hip soll es sein, doch es ist einfach nur penetrant.
Das öffentlich - rechtliche Fernsehen gibt sich zwar Mühe informativ und seriös zu bleiben, was auch gelingt, doch liegt hier die Zielgruppe wahrscheinlich jenseits der 45. Für junge Leute ist das Programm ziemlich schnarchig. Gute Filme kommen hier noch seltener, als bei den Privaten, dafür aber wenigstens ohne breaks.
Zwar bleibe auch ich von Zeit zu Zeit bei MTV oder einer Talkshow hängen, doch das Gefühl für meine Bildung, oder mein Wohlbefinden etwas getan zu haben, stellt sich danach eher selten ein. Falls ich mal einen Film finde, der mir gefällt, bin ich so frustriert über die sinnlosen Werbebreaks, dass ich den Film lieber aus der Videothek hole, um ihn in Ruhe zu sehen. Bis man sich in einem Film, an einer spannenden Stelle, von fast vier Minuten Hygieneartikeln, Fertiggerichten und Putzmitteln erholt hat, geht der Film schon weiter, und wenn man endlich wieder richtig hinein vertieft ist - Werbung.

Wozu das alles, ist nun die entscheidende Frage. Wer will das sehen? Prägt wirklich die Gesellschaft das Programm? Spiegelt das, was hier läuft wirklich wider, was wir sehen wollen?
Aber ja doch! Das ist ein ganz typischer Kreislauf. Wir sehen, was die Programme senden und die senden, was wir sehen wollen.
Dass das so ist, beweisen die Einschaltquoten. Kein Sender leistet sich wenig Zuschauer: Was nicht ankommt- fliegt raus.

Meiner Meinung nach, ist das schlechte Fernsehprogramm ein Phänomen unserer Zeit. Wir leben in einer Fast- Food Gesellschaft: schnell, einfach, billig. Keine Frage, dass dabei auch die Qualität auf der Strecke bleibt. Die Zuschauer haben nicht mehr die Zeit und die Lust, sich langen, komplizierten Sachverhalten zu widmen. Keine Zeit, zuviel Stress. Meistens läuft das Fernsehen neben her, oder man schaut aus Langeweile. Egal was kommt, alles willkommen, Hauptsache es lenkt ab.
Nur nicht überanstrengen, vorallem beim Denken, ist die Devise. Also: TV Banal. Leichte Kost, für faule Leute.
Hinzu kommt noch, dass sich die Gesellschaft trotz ihrer Überalterung vor dem alt werden fürchtet. Nur nicht die Jugend verlieren, hip und in sein, wissen, was läuft. Ständig neue Trends werden von den Programmen geschaffen und von den Zuschauern begrüßt. Nur keine Langeweile!

Man sitzt bequemer vorm Fußballspiel, als sich ins Auto zu setzen und hinzufahren, schaut lieber Talkshows, als mit Freunden zu reden, sieht lieber Nachrichten, als die Zeitung zu lesen, zieht einen durch Werbung zerstückelten Film, einem Kinoabend vor.
Die Gesellschaft von heute ist nichts anderes, als schlicht und ergreifend: stinkfaul!
Passive, isolierte Menschen, in allen Altersklassen. Jeder sieht fern, deshalb widme ich diesem Medium meinen Artikel. Das Einzige, das für alle Altersklassen und Gesellschaftsschichten zugänglich ist und die Gesellschaft am nachhaltigsten prägt.
Kindergartenkinder sehen fern, damit Mami mal kurz Ruhe hat, Grundschüler, weil es jetzt schon Trends gibt, über die man reden muß, Teens, weil auf MTV und VIVA den ganzen Tag angesagte Musik läuft, Arbeitslose, weil sie sowieso keine Arbeit finden, dafür aber viel Zeit haben, Hausfrauen, weil es sich nebenbei gut bügelt, Berufstätige, zum Abschalten, Rentner aus Einsamkeit oder Langeweile.
Jeder sieht fern! Entschuldigung, fast jeder. Wer wirklich viel zu tun hat, merkt schnell, das man die wenige freie Zeit effektiver nutzen kann.

Vielleicht ist das Fernsehprogramm so schlecht nun auch wieder nicht, aber man muß sich schon viel Mühe geben, um ein wirklich gutes Programm zu finden. Alles in allem sind die Medien ein Gesellschaftsspiegel und speziell beim Fernsehen finde ich den Qualitätsverfall eine traurige Bilanz. Meines Erachtens ist das, was unterm Strich übrig bleibt, nicht sehr positiv. Der intellektuelle, kulturelle, politische und gesellschaftliche Hintergrund wird immer mehr durch Dummheit, Faulheit, Intoleranz und Voyeurismus ersetzt werden.
Ich habe wenig Hoffnung, dass sich in dieser Richtung noch einmal etwas zum Positiven wendet.
Vielleicht ist es aber wenigstens für euch, die ihr das lest, ein Denkanstoß. Wenn ihr mal wieder gelangweilt vor der Klotze hängt, dann überlegt: Was würde mir jetzt viel mehr Spaß machen? Ich bin sicher, euch fällt was ein.
Und nicht vergessen: Ihr bestimmt, was gesendet wird.

Nadja



Autor: Nadja
Erstellt am: 2000-07-15